Haben Sie manchmal das Gefühl, innerlich auf „Autopilot“ zu schalten, wenn der Druck steigt? Merken Sie, dass selbst tiefes Durchatmen schwerfällt?
Gerade in solchen Momenten zeigt sich, wie eng unsere innere Welt und unsere Atmung miteinander verbunden sind. In meiner Arbeit als Atemtherapeutin erlebe ich immer wieder: wenn wir beginnen, unserem inneren HIntergrunds-Dialog zuzuhören, verändert sich der Atem positiv und umgekehrt.
Im Modell des Internal Family Systems (IFS) nach Richard Schwartz wird unsere innere Vielfalt greifbar. IFS geht davon aus, dass wir aus vielen verschiedenen Anteilen bestehen; und dass jeder Teil eine positive Absicht hat. In Stresssituationen ist es besonders wichtig, die Kommunikation der sogenannten Beschützer untereinander zu verbessern. Denn so können unsere positiven Seiten besser zum Vorschein kommen.
Beschützer sind innere Kräfte; Persönlichkeitsanteile, die in herausfordernden Momenten die Führung übernehmen, damit wir im Alltag und in Stresssituationen besser funktionieren können. Sie agieren wie Manager unseres inneren Systems und sind näher an unserem Alltagsbewusstsein.
Der IFS-Begründer Richard Schwartz beschreibt das so:
„Beschützer arbeiten näher an der Oberfläche, damit wir im täglichen Leben zurechtkommen.“
Unsere Beschützer handeln aus Fürsorge. Auch wenn sie uns und anderen manchmal hart, kontrollierend oder distanziert erscheinen. In der horizontalen Arbeit mit der Methode Inner Family System können wir lernen, unsere Innenwelt besser zu verstehen und wertzuschätzen. Denn oft ist uns gar nicht bewusst, was unsere Beschützer für uns leisten. Einerseits schützen sie uns, andererseits steuern sie uns in Stresssituationen manchmal stärker, als uns lieb ist.
Wer seine schützenden Persönlichkeits-Seiten kennt, gewinnt mehr innere Freiheit und erlebt größere Flexibilität in Denken, Fühlen und Handeln. Statt in alte Handlungsmuster einzutauchen, bleiben wir in dieser Arbeit auf der Ebene der Beschützer, mit Neugier und Respekt. Wir fragen zum Beispiel:
- Was versucht dieser Teil für mich zu leisten?
- Wovor will er mich bewahren?
- Wann übernimmt er das Steuer?
Diese achtsame Haltung entschleunigt und steigert die Präsenz für das aktuelle Geschehen. Sie erlaubt, innerlich einen Schritt zurückzutreten. Und genau hier wird der Atem zu einem kraftvollen Begleiter. Wenn wir bewusst atmen, signalisieren wir unserem Nervensystem Sicherheit. Wir werden ruhiger. Der Atem hilft, eine gesunde Distanz zu wahren.
Beides – die horizontale Arbeit und eine ruhige, zentrierende Atempraxis – stärkt unsere Fähigkeit, in Stressmomenten präsenter zu bleiben, statt uns im alten Reaktionsmodus zu verlieren. Schritt für Schritt entsteht mehr innerer Raum in uns: Raum für Gelassenheit, Klarheit und Mitgefühl mit uns selbst und mit Anderen.
P.S.: In meiner Arbeit verbinde ich die horizontale Arbeit mit einer regulierenden Atempraxis und Aspekten der Polyvagal-Theorie. In einem weiteren Artikel erkläre ich, was Polyvagale Arbeit bedeutet – kurz gesagt: die direkte Arbeit mit dem autonomen Nervensystem.
💡 Tipp für heute: Atmen Sie bewusst ein und langsamer aus. Die Ausatmung verbindet uns mit dem Ruhe-Nerv (dem Vagus-Nerv) und ist daher in Stresssituationen besonders wichtig. Beobachten Sie einen schützenden Teil in sich, und fragen Sie: „Was willst du mir Gutes tun?“ Schon kleine Schritte wie dieser schaffen Kontrolle statt Reaktivität.