Erfolgreich Führen: Grenzen richtig setzen

Grenzen setzen – ein Thema, das in der Führungsarbeit oft unterschätzt wird, aber essenziell ist, um gesunde Strukturen, Klarheit und Vertrauen zu schaffen. Viele Führungskräfte zögern, Grenzen zu ziehen. Sie wollen nicht hart wirken. Hier kann ein psychologisches Konzept helfen, das zunehmend Eingang in moderne Führung findet: das Modell der inneren Anteile.

Was sind „innere Anteile“?

Das Modell der inneren Anteile stammt aus der Psychologie – insbesondere aus der Ego-State-Therapie und dem Internal Family Systems Model (IFS). Es geht davon aus, dass unsere Persönlichkeit nicht „einheitlich“ ist, sondern aus verschiedenen inneren Anteilen besteht. Diese Anteile können verschiedene Bedürfnisse, Stimmen und Strategien vertreten. Beispiele:

  • Ein innerer Antreiber, der Leistung fordert.
  • Ein innerer Kritiker, der uns streng bewertet.
  • Ein inneres Kind, das sich nach Anerkennung sehnt.
  • Ein innerer Beschützer, der für Sicherheit sorgt.

Diese Anteile arbeiten nicht immer harmonisch zusammen. Aber wenn wir sie bewusst wahrnehmen, können wir klügere Entscheidungen treffen – auch in schwierigen Situationen.


Fallbeispiel: Gruppenleiter Jens – Führung zwischen Harmonie und Klarheit

Jens ist Gruppenleiter in einem mittelständischen Produktionsbetrieb. Er führt 15 männliche Mitarbeiter – alles gestandene Kollegen mit starker Meinung und einem ausgeprägten Bedürfnis nach Eigenständigkeit. Jens schätzt die Harmonie in der Gruppe, will aber auch klare Linien durchsetzen. Doch genau hier liegt das Problem: Immer wieder merkt er, dass er zögert, Grenzen zu setzen.

Beispiel: Zwei Mitarbeiter kommen regelmäßig zu spät zum Schichtbeginn. Jens sagt nichts – aus Angst, das Teamklima zu stören. Doch innerlich brodelt es. Er fühlt sich übergangen, ärgert sich – und weiß doch nicht, wie er angemessen reagieren soll.


Der Weg über die inneren Anteile

In einem Führungskräfte-Coaching lernt Jens, seine inneren Anteile besser kennen. Er erkennt:

  • Da ist ein harmoniebedürftiger Anteil, der Konflikte vermeiden will.
  • Ein sorgender Anteil, der für die Leistung der Gruppe verantwortlich ist.
  • Aber auch ein klarer Führungsanteil, der Verlässlichkeit und Fairness will.

Durch diese Selbsterkenntnis gelingt Jens etwas Entscheidendes: Er kann diese inneren Anteile differenzieren – und eine bewusste Entscheidung treffen, welcher Anteil in einer bestimmten Situation führen soll.

Er entscheidet sich: „Mein klarer Führungsanteil darf jetzt Grenzen setzen. “ In einem ruhigen, sachlichen Gespräch mit den beiden Mitarbeitern benennt er die Verspätungen – wertschätzend, aber konsequent. Die Reaktion: Beide zeigen Verständnis. Das Problem löst sich schnell.


Warum Grenzen so wichtig sind

Grenzen sind kein Zeichen von Schwäche oder Härte – sie sind ein Ausdruck von Klarheit, Selbstführung und Respekt. Wer keine Grenzen setzt, wird auf Dauer als schwach angesehen und überfordert sich selbst. Das führt zu Unklarheit im Team.

Mit den inneren Anteilen gelingt es, diese Grenzen aus der eigenen Mitte heraus zu setzen – ohne Schuldgefühle oder unnötige Härte. Das Ergebnis: authentische Führung, klare Kommunikation und ein starkes, stabiles Miteinander.


Fazit: Klarheit führt zu äußerer Souveränität

Wer in der Führung Verantwortung trägt, muss lernen, seine inneren Dynamiken zu erkennen und zu steuern. Das Modell der inneren Anteile ist ein machtvolles Werkzeug, um genau das zu tun. Es ermöglicht, ausgewogen, klar und menschlich Grenzen zu setzen – und dabei in guter Verbindung mit sich selbst und dem Team zu bleiben.

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