Die Rolle des Selbst im IFS: Der heilsame innere Kern

Im Modell des Internal Family Systems (IFS) von Richard C. Schwartz spielt das Selbst eine zentrale Rolle. Es ist der innere, gesunde, ruhige Kern in jedem Menschen. Das Selbst ist bewusst, mitfühlend und klar. Es kann wie ein stabiler, ruhiger Anker wirken.

Anders als unsere inneren Anteile (Parts) übernimmt das Selbst keine Stimme oder Rolle. Es ist unsere neutrale, achtsame Mitte, die in der Lage ist, freundlich mit allen inneren Zuständen in Kontakt zu treten. Das Selbst bewertet nicht!


Was ist das Selbst?

Das Selbst erscheint, wenn wir präsent sind. Wenn wir in einem Anteil „gefangen“ sind; also zum Beispiel Angst, Trauer, Wut oder innerer Kritik empfinden, ist eher wenig Selbst anwesend.

Wenn wir im Selbst sind, können sich bestimmte Qualitäten in uns zeigen. Im IFS spricht man von den acht C-Qualitäten:

  1. Calmness – Ruhe
  2. Clarity – Klarheit
  3. Compassion – Mitgefühl
  4. Curiosity – Neugier
  5. Confidence – Selbstvertrauen
  6. Courage – Mut
  7. Creativity – Kreativität
  8. Connectedness – Verbundenheit

Diese Eigenschaften sind Zeichen dafür, dass wir gerade im Selbst sind. Es reicht, wenn wir 1 oder 2 dieser Selbst-Qualitäten spüren. Sind Sie zum Beispiel gerade ruhig oder neugierig? Dann können Sie von dieser Bewußtseins-Qualität sehr gut einen inneren Anteil kennen lernen.

Warum ist das Selbst für den Ablauf einer Sitzung so wichtig?

In jedem Menschen gibt es viele Anteile. Sie tragen unsere Erfahrungen, Denkmuster, Erinnerungen, Ängste, Schutzstrategien oder Wünsche. Manche sind laut und kritisch, andere still und verletzt.

Einige Teile übernehmen auch extreme Rollen, wenn sie uns schützen oder warnen wollen. Doch um seelisch heil zu werden, müssen wir – aus Sicht des IFS-Prozeses – lernen, mit unseren inneren Anteilen in Kontakt zu treten.

Dafür brauchen wir das Selbst. Es schafft Raum und gibt Abstand. Von unserer Mitte, unserem Selbst wird es möglich, die Teile neugierig kennenzulernen, ihnen zuzuhören und sie ernst zu nehmen.


Wie kommen wir in das Selbst?

Der erste Schritt ist, nach innen zu spüren. Hierzu können wir ein paar Mal tief durchatmen, still werden und uns fragen: Was ist gerade los? Welche Gedanken, Gefühle oder Impulse sind da? Wenn ein Teil auftaucht (z. B. Unsicherheit) dann stellen wir die zentrale IFS-Frage:

„Wie fühle ich diesem Teil gegenüber?“

Wenn wir merken, dass wir wütend auf einen Teil sind, ihn fürchten oder ihn loswerden wollen, gibt es 2 Möglichkeiten. 1. Wir sind mit dem Teil verschmolzen. 2. ein anderer Teil ist gerade aktiv.

Im IFS nennen wir das „Blending“ – also eine Verschmelzung mit einem Anteil. Dann ist unser Selbst nicht hinreichend präsent. Wir können einen Persönlichkeitsanteil nicht kennen lernen, wenn wir verschmolzen sind

Um mehr ins Selbst zu kommen, bitten wir den aktiven Teil freundlich, einen Schritt zurückzutreten. Zum Beispiel:

„Danke, dass du da bist. Könntest du ein bisschen zurücktreten, damit ich diesen anderen Teil kennenlernen kann?“

Wenn das gelingt, spüren wir oft eine Veränderung: Es entsteht mehr Ruhe. Vielleicht Neugier. Vielleicht ein wenig Mitgefühl. Dann wissen wir: unser Selbst ist da. Wir sind mehr in unserer Mitte verankert.


Beispiel: Ein innerer Kritiker

Eine Frau bemerkt, dass eine innere Stimme ihr sagt: „Du machst nie etwas richtig.“

Statt dagegen anzukämpfen, bleibt sie still. Sie fragt sich: „Wie fühle ich mich diesem Teil gegenüber?“ Die Antwort kommt schnell: „Ich hasse ihn.“ Das zeigt: Ein anderer Teil, z. B. ein wütender Verteidiger ist aktiv. Er verhindert, dass wir den Kritiker kennen lernen können. Sie bittet ihn innerlich, ein wenig zurückzutreten.

Nach einem Moment spürt sie Neugier und kann fragen: „Warum ist dieser Kritiker eigentlich so hart?“

Jetzt ist das Selbst aktiv. Sie kann beginnen, dem Kritiker zuzuhören. Und erfährt vielleicht:
Er will sie vor Fehlern schützen. Seine Härte ist ein Versuch, Sicherheit zu schaffen. Jetzt ist der erste Schritt geschafft, um den Kritiker besser kennen zu lernen.


Fazit

Das Selbst ist im IFS der Ort der inneren Steuerung und Führung. Wenn wir im Selbst sind, können wir unsere inneren Anteile mit Klarheit, Mitgefühl und Neugier betrachten.

Es ist die Aufgabe des Therapeuten sich in den Zustand des Selbst zu versetzen. Nur so kann er wirklich vorurteilsfrei und offen den Prozess begleiten. Es ist auch die Aufgabe des Therapeuten/Coaches dem Klienten zu helfen, in das eigene Selbst zu finden. Die acht C-Qualitäten helfen uns zu erkennen, ob das Selbst präsent ist. Aus diesem ruhigen Zustand heraus kann echte Heilung und Veränderung geschehen.

IFS lädt uns ein, immer wieder in diesen inneren Selbst-Raum zurückzukehren. Ein Ort, der in jedem Menschen bereits da ist – ruhig, offen und verbunden. Einer meiner Lehrer, Tom Holmes vergleicht das Selbst auch mit dem „Herzraum“.

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